HIGHTECH FÜR DIE FORSCHUNG
WILHELM CONRAD RÖNTGEN
UND DIE PHYSIK IN WÜRZBURG
DAUERAUSSTELLUNG
FAKULTÄT FÜR PHYSIK UND ASTRONOMIE
UNIVERSITÄT WÜRZBURG
1895 machte Wilhelm Conrad Röntgen am Physikalischen Institut der Universität Würzburg eine revolutionäre Entdeckung. Bei Versuchen mit Elektronenstrahlen in Vakuumröhren fand er die später nach ihm benannte Röntgenstrahlung. Sie erlaubte erstmals einen Blick „ins Innerste der Welt“.
Die gleichnamige Dauerausstellung im Institutsgebäude der Fakultät für Physik und Astronomie präsentiert Röntgens Forschungsleistung als Inspirationsquelle für die physikalische Forschung in Würzburg. Sie veranschaulicht das Vordringen der Physik „ins Innerste der Welt“ seit Röntgens Entdeckung und setzt Schlaglichter auf aktuellste Forschungsthemen. Hier finden Sie einen digitalen Vorgeschmack.
INS INNERSTE DER WELT …
WILHELM CONRAD RÖNTGEN
SIEBEN WOCHEN FORSCHUNG, VIER MONATE "DER TEUFEL LOS" UND DANN EWIGER RUHM
Schon seit Längerem experimentierte Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) mit einer von Philipp Lenard (1862-1947) entwickelten Gasentladungsröhre. Am Abend des 8. November 1895 beobachtete er, wie bei jeder einzelnen Entladung ein mit Bariumplatincyanür beschichteter Papierschirm aufglühte, obwohl er die Röhre sorgfältig in schwarzen Karton eingehüllt hatte. Röntgen vermutete, dass eine bislang unbekannte Art von „Strahlen“ die Kartonhülle durchdrang und das Fluoreszieren bewirkte: Er entdeckte mit dieser Beobachtung die Röntgenstrahlung!
Röntgen ahnte, dass ihm eine bahnbrechende Entdeckung geglückt war; er zog sich in sein Labor zurück und begann die neuartige Strahlung systematisch zu erforschen. Sieben Wochen nahm er sich dafür Zeit.
Die Fachwelt setzte Röntgen nüchtern mit einer „Vorläufige[n] Mittheilung“ über seine Forschungsergebnisse in Kenntnis. Mit diesem Untertitel versah er seinen ersten Bericht „Ueber eine neue Art von Strahlen“. Schon am Neujahrstag 1896 versandte er 70 Sonderdrucke an Physiker in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zwölf ausgewählten Kollegen legte er zudem neun Fotografien bei, die den Text illustrierten. Der Erfolg war gewaltig. Schon am 5. Januar erschien unter dem Titel „Eine sensationellen Entdeckung“ ein Artikel in der Wiener „Presse“. Er wurde sofort europaweit nachgedruckt.
In den fünf Jahren nach Entdeckung der Strahlen wurde Röntgen mit Ehrungen überhäuft: Die Ehrendoktorwürde der Universität Würzburg und die Ehrenbürgerschaft seines Geburtsorts Lennep waren selbstverständlich. Dazu kamen noch etwa 90 weitere akademische Ehrentitel aus aller Welt! In Bayern fand er unverzüglich Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften. Höhepunkt der Ehrungen war jedoch die Verleihung des ersten Nobelpreises für Physik an Röntgen am 10. Dezember 1901 in Stockholm.
Stanniolschichten im Röntgenlicht
„Auch ein einfaches Blatt Stanniol ist kaum wahrzunehmen; erst nachdem mehrere Lagen übereinander gelegt sind, sieht man ihren Schatten deutlich auf dem Schirm.“
Gewichtskästchen im Röntgenlicht
„Viele derartige Schattenbilder habe ich beobachtet und theilweise auch photographisch aufgenommen. So besitze ich z.B. Photographien […] eines in einem Kästchen eingeschlossenen Gewichtssatzes.“
Menschliche Hand im Röntgenlicht
„Hält man die Hand zwischen Entladungsapparat und den Schirm, so sieht man die dunkleren Schatten der Handknochen in dem nur wenig dunklen Schattenbild der Hand.“
HIGHTECH FÜR DIE FORSCHUNG
An der Schwelle zum 20. Jahrhundert gelangen in der physikalischen Forschung in kürzester Zeit einige bedeutsame Entdeckungen: Wilhelm Conrad Röntgen stieß 1895 auf die Röntgenstrahlen, Henri Becquerel, Marie und Pierre Curie 1896-98 auf die Radioaktivität und Joseph John Thomson wies 1897 erstmals das Elektron nach. Neue Konzepte – etwa Max Plancks Quantentheorie oder Albert Einsteins Relativitätstheorie – revolutionierten das physikalische Weltbild. Die moderne Physik machte sich daran, die Gesetze und den Aufbau des Mikrokosmos zu entschlüsseln.
Zur experimentellen Untersuchung mikrophysikalischer Phänomene sind Wissenschaftler*innen auf modernste Forschungsgeräte angewiesen, mit deren Hilfe diese „sichtbar“ gemacht werden können. Entwicklung und Bau solcher Apparate und Anlagen sind dabei zugleich Teil der Forschung und Voraussetzung für neuen Erkenntnisgewinn. Die Optimierung von Methoden und die Verbesserung der Geräte erfolgt zumeist in enger Kooperation zwischen universitärer Grundlagenforschung, angewandten Wissenschaften und Technologieunternehmen.
HISTORISCHE
RÖNTGENRÖHRE
KAMIOKANDE
(Modell)
OPTISCHE
NAHFELDMIKROSKOPE
RÖNTGEN-
UNDULATOR
(Modell)
RUBIN-LASER
KOMPONENTEN
Einige Geräte und Apparate mit denen Würzburger Physiker*innen in den vergangenen Jahrzehnten forschten und arbeiteten sind in einem eigenen Ausstellungsraum zu sehen, darunter auch ein Kryostat mit dem der Nobelpreisträger Klaus von Klitzing am Quanten-Hall-Effekt forschte.
DYNAMISCHE MAGNETRESONANZ-STREUUNG UND MAGNETIC PARTICLE IMAGING
In Tradition der Entdeckung der Röntgenstrahlung in Würzburg (1895) wird seit vielen Jahren an der Universität Würzburg an Durchleuchtungsverfahren geforscht, heute insbesondere mit dem Schwerpunkt Magnet-Resonanz (MR)-Verfahren. Diese sind im Gegensatz zu Röntgenverfahren frei von gewebezerstörender ionisierender Strahlung.
Eisenoxidpartikel in Nanometergröße können helfen, Krankheiten im Inneren des Körpers aufzuspüren, Blutfluss sichtbar zu machen oder auch Instrumente bei einer minimalinvasiven Operation zu verfolgen. Die Partikel selbst sind wenige Nanometer groß und bestehen aus ferromagnetischen Materialien, meist aus Eisen. Dabei sorgt die geringe Größe dafür, dass ohne äußeres Feld eine große Zahl von Partikeln insgesamt nach außen nicht magnetisch ist – anders als bei einem Eisenmagneten, wie man ihn aus dem Alltag kennt.
Wir entwickeln neuartige MPI-Spektrometer, um diese Nanopartikel möglichst exakt und in möglichst geringer Konzentration zu detektieren. Damit können Bilder der Partikelverteilung im Körper erstellt werden.
Nach einer Injektion von superparamagnetischen Partikeln in den Körper eines Menschen können wir diese bei ihrer Wanderung verfolgen. Gemeinsam mit Kolleg*innen aus der Medizin arbeiten wir daran, dies für ärztliche Behandlungen nutzbar zu machen. Das Ziel: Gefäßverschlüsse (Stenosen) sichtbar machen und deren operative Behebung verfolgen. Oder es werden Wirkstoffe mit den Partikeln verbunden und verfolgt, um Krankheitsherde im Körper zu finden. Damit könnte MPI künftig andere Untersuchungsvarianten reduzieren, die belastende Strahlung einsetzen oder sie langfristig sogar ganz ablösen.
MULTIWELLENLÄNGENASTRONOMIE
Bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts konnten Astronomen nur die Himmelsobjekte beobachten, deren Licht für das menschliche Auge sichtbar war. Damit blieb ein großer Teil des Universums für uns Menschen unsichtbar. Inzwischen sind wir in der Lage, die Bereiche des elektromagnetischen Spektrums jenseits des visuellen Bereichs zu detektieren, von der Radio- bis hin zur Gammastrahlung.
Hochenergetische Röntgen- und Gammastrahlung zum Beispiel wird auf ihrem Weg durch die Erdatmosphäre gestreut und absorbiert. Um diese für uns sichtbar zu machen, müssen Teleskope an Bord von Satelliten außerhalb der Erdatmosphäre platziert werden.
Oft zeigen astronomische Objekte ihre Aktivität und Eigenschaften in vielen verschiedenen Wellenlängenbereichen. Beobachten wir unseren Himmel mittels Röntgenteleskopen ergibt sich ein völlig anderes Bild unserer Milchstraße verglichen mit optischen Aufnahmen.
Die Milchstraße: optisches Licht
Die Milchstraße im sichtbaren Licht, zusammengestellt aus Helligkeitsmessungen von 1.7 Milliarden Sternen mittels des ESA-Satelliten Gaia. Die helle horizontale Struktur ist die galaktische Ebene, sie beherbergt die meisten Sterne in unserer Heimatgalaxie. Dunkle Vordergrundwolken aus Gas und Staub absorbieren das Licht der Sterne dahinter. Über das Bild sind auch viele Sternhaufen verteilt, sowie Galaxien außerhalb unserer eigenen.
Die Milchstraße: Röntgenlicht
Das Röntgenteleskop eROSITA an Bord des deutsch-russischen Satellitenobservatoriums Spektr-RG erzeugte 2020 ein neues Bild des kompletten Röntgenhimmels im Bereich 0.3 keV – 2.3 keV (rot bis blau). Im Röntgenlicht offenbaren sich viele hell leuchtende größere Bereiche wie heißes Gas, Sternenüberreste oder Galaxienhaufen. Darüber hinaus fand eROSITA etwa eine Million individuelle Röntgenquellen, viele davon aktive Galaxien.
So blicken wir heute von der Erde aus ins Weltall. Fahren Sie mit dem Cursor entlang und entdecken Sie einige der bedeutendsten Teleskope der aktuellen Forschung.
XMM-Newton
beobachtet seit über 20 Jahren den Röntgenhimmel im Bereich bis 12 keV in
höchster Auflösung
Radioteleskop
Effelsberg
das größte freibewegliche Radioteleskop Europas
VLT
die vier optischen Spiegelteleskope mit
8 m Durchmesser sind Teil des
Paranal-Observatoriums der
Europäischen Südsternwarte (ESO)
ALMA
der Verbund aus 66 Einzelteleskopen in Chiles Atacama-Wüste beobachtet im Millimeter-Bereich mit extrem hoher Auflösung
MAGIC
Cherenkov-Teleskop auf der Insel La Palma, welches Gammastrahlung durch Interaktion mit der Atmosphäre detektiert
LICHT: VOM MOLEKÜL ZUM DISPLAY
Eine spannende Fragestellung ist, wovon die optischen und elektronischen Eigenschaften molekularer Halbleiter abhängen und wie man diese in Hinblick auf mögliche Anwendungen optimieren kann, zum Beispiel in der Optoelektronik. Dabei interessieren uns besonders Bauteile, in denen durch Licht Ladungsträger im Material erzeugt werden oder - umgekehrt - Ladungsträgerrekombination zur Erzeugung von Licht führt. Die Lichterzeugung durch Ladungsträgerrekombination in molekularen Halbleitern gewinnt zunehmend an Bedeutung und findet sich bereits in ersten Produkten, wie etwa organischen lichtemittierenden Dioden (OLEDs) oder Multi-Color Displays in Handys.
Der Vorteil eines OLED Displays im Vergleich zu einem konventionellen Liquid Crystal Displays (LCD) wird bei Änderung des Betrachtungswinkels sehr deutlich: Das OLED Modell zeigt kräftigere Farben, die auch unter großen Winkeln ihre Farbtreue beibehalten.
Eine OLED besteht aus mehreren funktionellen Schichten. Aus einem metallischen Kalzium (Ca) Kontakt werden Elektronen (–) injiziert. Aus dem mit Indium-Zinn-Oxid (ITO) beschichteten Glas treten Löcher (+) in die unterste Schicht des Bauteils. Die Ladungen werden über eine Elektronen- bzw. Loch-Transport-Schicht (ETS bzw. HTS) in die Emitter-Schicht (ES) transportiert. Dort rekombinieren Elektronen und Löcher unter Aussendung von Photonen.
QUANTENPHYSIK UND
TOPOLOGISCHE ISOLATOREN
Physikerinnen und Physiker in Würzburg stellen heute topologische Isolatoren her – komplexe Festkörper mit nahezu atomarer Präzision – und erforschen deren quantenmechanische Eigenschaften für die Computer der Zukunft.
Eines der Ziele: Kalte Computerchips. Denn bisher heizen Computer sich auf – und machen bei zu großer Hitze schlapp. Nicht ohne Grund sind die Rechnerfarmen bei Google gigantische Kühlkammern. Schließlich könnten schon rund 300 Suchanfragen einen Liter Wasser zum Kochen bringen – und durchschnittlich laufen etwa 3,5 Milliarden Aufträge pro Tag bei der Suchmaschine ein (Stand 12/19). Kalte Chips wären die umweltfreundlichere Lösung. Leistungsfähig, sparsam, ohne Abwärme. Hoffnungen darauf weckt eine neue Materialklasse – die topologischen Isolatoren.
Der Weg zum topologischen Isolator: 1980 entdeckte der Physiker Klaus von Klitzing in Würzburg den Quanten-Hall-Effekt. Damit öffnete er das Tor zu einem neuen Gebiet der Festkörperphysik – und erhielt 1985 den Physik-Nobelpreis. Der spektakuläre Effekt entsteht, wenn auf die Elektronen in einem Transistor von außen ein superstarkes Magnetfeld einwirkt. Ergebnis: Innen wird der Transistor zum Isolator, während Elektronenwellen mit perfekter Leitfähigkeit seinen Rand umlaufen. Doch das superstarke Magnetfeld, mit dem der Quanten-Hall-Effekt kontrolliert wird, ist ungeeignet für praktische Anwendungen im Alltag. Deshalb wurde lange nach ähnlichen Effekten gefahndet, die ohne Magnetfeld funktionieren.
Der Durchbruch kam rund 25 Jahre später: Am Lehrstuhl für Experimentelle Physik 3 der Universität Würzburg wurde die elektrische Leitfähigkeit von Quecksilber-Tellurid (HgTe) untersucht. Dabei traten Eigenschaften zutage, die mit herkömmlichen Modellen nicht erklärbar waren. Ein weltweiter Forschungsboom begann, als Professor Laurens W. Molenkamp und seinem Team 2007 der weltweit erste experimentelle Nachweis eines topologischen Isolators gelang.
Mögliche Anwendungen
topologischer Materialien
Die Suche nach dem Quantencomputer ist in vollem Gange. Die Hightech-Industrie und eine riesige Wissenschaftscommunity arbeiten an verschiedenen Wegen zu einem Ziel: dem „nächsten großen Ding“, das die Welt verändert. Künstliche Intelligenz ist einer dieser Bereiche, dem Quantencomputing zum Durchbruch verhelfen könnte.
Quantencomputer rechnen mit QuBits. Während ein klassisches Bit nur den Zustand 0 oder 1 kennt, kann sich ein QuBit in einer Überlagerung befinden – also in einem von unendlich vielen Zwischenzuständen. Doch diese Phänomene sind äußerst fragil und zerfallen rasant. Hier kommt die Topologie ins Spiel: Ihre Mechanismen sollen überlagerte Quantenzustände stabilisieren – als Voraussetzung für extrem leistungsfähige Quantencomputer.
Optisches Analogon zum Topologischen Isolator: zu sehen ist eine Honigwabenstruktur optischer Resonatoren. Das Licht wird in den pinkfarbenen Quantenfilmen mithilfe eines Lasers erzeugt und von den blau-weißen Spiegeln eingeschlossen. Der Durchmesser der Türmchen entspricht in Wirklichkeit nur etwa zwei Mikrometern, deutlich weniger als der eines menschlichen Haares. Das Licht breitet sich entlang des Randes aus. Die Mitte ist isolierend, sodass sich das Licht nicht dorthin ausbreiten kann.
Weitere Geheimnisse der Quantenwelt enthällt das „Schaufenster – Bick in unsere Forschung“: